Die geplante Europäische Mindestlohnrichtlinie im Kontext nationaler Mindestlohnpolitiken (online)
FORBA-Fachgespräch vom Donnerstag, 15. September 2022

Hier finden Sie die Dokumentation des Fachgesprächs.

Details
Die Europäische Kommission hat mit ihrem Entwurf für eine Europäische Mindestlohnrichtlinie 2020 eine breite Debatte über die Bedeutung von Mindestlöhnen und die Art und Weise ihrer Festsetzung ausgelöst. Nachdem der EPSCO-Rat der europäischen Arbeits- und Sozialminister*innen im Juni 2022 einen zwischen Rat und Europäischem Parlament erzielten Kompromissentwurf mit großer Mehrheit bestätigt hat, wird es im Herbst dieses Jahres mit großer Wahrscheinlichkeit zur Verabschiedung der Mindestlohnrichtlinie kommen. Schon jetzt hat die begleitende Debatte Fragen der Angemessenheit von Löhnen und der Regulierung der Mindestlohnsetzung zu einem dauerhaften gesellschaftlichen und politischen Thema gemacht. Zudem wurden in der Frage der Beurteilung der Europäischen Mindestlohninitiative (neue) Konfliktlinien zwischen den Arbeitsmarktparteien, aber auch zwischen Ländern und Systemen der Arbeitsbeziehungen, sichtbar.
Im Rahmen des Fachgesprächs werden auf Grundlage eines von der Arbeiterkammer Wien beauftragten Forschungsprojektes die verschiedenen Systeme der Mindestlohnsetzung in der EU skizziert, deren Bedeutung für die Beschäftigen/Gewerkschaften diskutiert und die Auswirkungen der Europäischen Mindestlohninitiative beleuchtet.

Programm

Thorsten Schulten
Die Europäische Mindestlohnrichtlinie – Paradigmenwechsel für ein soziales Europa?

Mit der europäischen Mindestlohnrichtline wird erstmals in der EU ein Gesetz verabschiedet, das ausdrücklich darauf abzielt, Mindestlöhne zu erhöhen und Kollektivvertragssysteme zu stärken. Nachdem die EU noch in der Euro-Krise ab 2009 im Hinblick auf die Arbeitsmarktinstitutionen ein stark neoliberal geprägtes Krisenmanagement verfolgte, vollzieht sie nun mit der Mindestlohnrichtlinie eine deutliche Kehrtwende, die einen Paradigmenwechsel in den europäischen Arbeitsbeziehungen befördern könnte. In dem Beitrag werden die Kernelemente der Mindestlohnrichtline vorgestellt und ihre möglichen Auswirkungen für die nationalen Mindestlohnregime und Kollektivvertragssysteme diskutiert. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung in Deutschland und Österreich gelegt.

 

Georg Adam
Die Mindestlohnsetzung in der EU und ihre Bedeutung für die Gewerkschaften

In diesem Beitrag werden die unterschiedlichen Mindestlohnsysteme in der EU grob skizziert. Ausgehend vom sogenannten Machtressourcenansatz wird die Bedeutung der unterschiedlichen Mindestlohnregime für die Gewerkschaften und damit auch die Beschäftigten herausgearbeitet. Es lässt sich zeigen, dass ein gesetzlicher Mindestlohn für die Arbeitnehmer*innen umso effektiver ist, je besser er in das bestehende Kollektivvertragssystem eingepasst und je umfassender und differenzierter das Kollektivvertragssystem gestaltet ist.

Die Vortragenden

Prof. Dr. Thorsten Schulten ist Wissenschaftlicher Leiter des Tarifarchivs des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf und Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen nationale und europäische Arbeitsbeziehungen, Verbändeforschung, Kollektivvertrags- und Lohnpolitik.

Mag. Georg Adam ist Soziologe und bei der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt tätig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen nationale und europäische Arbeitsbeziehungen, Verbändeforschung, Kollektivvertrags- und Lohnpolitik.

Diese Veranstaltung wurde freundlich unterstützt von:

AMS         AK Wien          GPA

PRO-GE         vida            Arbeitsklimaindex AK